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(Bild: fotolia. Art Family)

Autobesitzer kennen es: Mindestens einmal pro Jahr erhält man Post von der Werkstatt seines Vertragshändlers: Ob Urlaubscheck, Winterreifen-Service, Einladung zur Hauptuntersuchung oder die jährliche Wartungsinspektion – auf die Erinnerung seitens des Autohauses ist Verlass. Was für den Kunden in erster Linie nach einer freundlichen Dienstleistungshaltung aussieht, hat für die Anbieter einen massiven wirtschaftlichen Hintergrund. Zufriedene Servicekunden kaufen dieselbe Marke viermal so häufig wieder wie unzufriedene.

Und auch für sich genommen, lohnt sich für Hersteller und Vertragswerkstätten das Servicegeschäft. So stehen zum Beispiel Ersatzteile für lediglich zehn Prozent des Umsatzes eines Autoherstellers, spülen allerdings 50 Prozent des Gewinns in die Kasse. Autowerkstätten generieren gar 60 Prozent ihres Gewinns mit Ersatzteilen.

Was für das Konsumgut Automobil gilt, lässt sich auch auf die Investitionsgüter der Industrie übertragen. Obwohl immer mehr Anbieter von Maschinen und Anlagen zu dieser Erkenntnis gelangen, wird das Potenzial bislang kaum ausgeschöpft. Viele Lieferanten von Anlagenkomponenten behandeln After Sales Services – also Dienstleistungen und Produkte, die im Nachgang zu einem Verkauf angeboten werden – immer noch stiefmütterlich. Im deutschen Maschinen- und Anlagenbau entfällt auf das After-Sales- und Servicegeschäft lediglich ein Umsatzanteil von 15 Prozent, schätzt der VDMA.

Doch angesichts des Gesamtumsatzvolumens für Maschinen und Anlagen von weltweit geschätzten 2250 Milliarden Euro (2012), von denen 212 Milliarden von deutschen Herstellern realisiert werden, ist das Potenzial enorm – und wird vor allem von kleinen und mittelständischen Anbietern unterschätzt.

Denn Untersuchungen des VDMA zufolge erzielen Unternehmen, die After Sales Services als eigenständiges Geschäftsmodell praktizieren, einen durchschnittlichen Deckungsbeitrag von 47 Prozent. Während große Lösungsanbieter mit einem Jahresumsatz von mehr als einer Milliarde Euro mit Services im Durchschnitt ein Viertel ihres Umsatzes generieren, liegen kleinere Anbieter deutlich zurück. Noch gravierender sind die Folgen eines unzureichenden After Sales Service. Wird dieser auf die lästige Abwicklung von Garantiefällen reduziert und entsprechend stiefmütterlich behandelt, droht dem Produktanbieter gar ein Imageverlust – das Folgegeschäft macht in diesem Fall der Wettbewerber.

Kundenbindung stärken

Das Angebot von Dienstleistungen nach dem reinen Produktverkauf lohnt sich gleich in vielerlei Hinsicht: Sie sind beispielsweise für Pumpen- und Armaturenhersteller einerseits ein Verkaufsargument für neue Produkte, andererseits helfen Dienstleistungen dabei, die Kundenbindung zu stärken. Und sie tragen dazu bei, die Produkte zu verbessern – beispielsweise, indem Informationen aus der Servicephase in die Entwicklung zurückfließen.

Außerdem sind auch die Margen im Servicegeschäft in der Regel deutlich größer als im Produktgeschäft. Dazu kommt, dass Aftersales- und Servicegeschäft dazu beiträgt, Konjunkturschwankungen auszugleichen – beispielsweise dann, wenn das Neugeschäft in Zeiten schlechter Konjunktur leidet. Besonders erfolgreich sind dabei die Unternehmen, die After Sales Services in einer eigenen Gesellschaft betreiben. Doch hier liegt auch ein wesentliches Hindernis.

In einer aktuellen Umfrage unter mehreren hundert Anbietern von Maschinen und Anlagen ist das Beratungsunternehmen McKinsey gemeinsam mit dem VDMA der Frage nachgegangen, was Hersteller daran hindert, ein eigenständiges Servicegeschäft aufzubauen. Neben der Mühe, die mit der Einrichtung einer entsprechenden Organisation verbunden ist, nennen die Befragten vor allem die mangelnde Bereitschaft ihrer Kunden, für Service extra zu bezahlen, weil sie diese Leistungen als kostenlosen Bestandteil des Neugeschäfts erwarten. Fast jeder Hersteller kann von Fällen berichten, in denen Kunden die Reparatur einer Jahrzehnte alten Pumpe oder Armatur auf Kulanz erwarten.

Chemie erwartet Rund-um-die-Uhr-Service

Dazu kommt eine weitere Herausforderung: gerade im Umfeld der Chemieindustrie erwarten die Abnehmer einen flächendeckenden Rund-um-die-Uhr-Service – und das auch noch an Standorten auf der ganzen Welt. Insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen eine schwer zu stemmende Aufgabe. Wie das funktionieren kann, zeigt allerdings das Beispiel des Pumpen- und Armaturenherstellers KSB. Mit einer eigenen Servicegesellschaft hat das Unternehmen sich im europäischen Markt für Dienstleistungen rund um Rotating Equipment eine führende Position erobert.

Serviceleistungen und Ersatzteillieferungen steuern heute mehr als ein Viertel zum Unternehmensumsatz des Anbieters bei. In den kommenden Jahren soll das Geschäft in Märkten in Asien und den USA deutlich ausgeweitet werden. „Wir sehen vor allem im Bergbau in Asien und Amerika einen hohen Reparatur- und Ersatzteilbedarf für Pumpen“, verdeutlicht Dr. Bernd Garbe, Geschäftsführer der KSB-Servicegesellschaft. After Sales Service fängt für den Hersteller dabei nicht erst bei der Reparatur an: „Beim Angebot einer neuen Pumpe werden Inbetriebnahmeservices gleich mit verkauft“, erklärt Garbe.

Und längst bietet der Hersteller Reparatur- und Wartungsdienstleistungen nicht mehr ausschließlich für eigene Produkte an, sondern repariert und modernisiert mit stationären Reparaturzentren und mobilen Einheiten auch Pumpen und Armaturen der Wettbewerber. In der Chemieindustrie sind solche Angebote hoch willkommen. Denn seit der Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 sind die Märkte für die Branche deutlich volatiler geworden. Fixkosten durch eigenes Wartungspersonal sollen deshalb flexibilisiert werden.

Instandhaltung zum Festpreis

In der Folge werden Wartungs- und Reparaturarbeiten in immer größerem Umfang an externe Dienstleister ausgelagert. Eine in der Branche übliche Vorgehensweise wird zum Beispiel beim Pharmakonzern Sanofi-Aventis in Frankfurt praktiziert: Die in der Produktion eingesetzten Pumpen werden aus dem Pool eines Systemanbieters geleast. Dieser übernimmt auch die Instandhaltung der Pumpen zum Festpreis. Dadurch werden die Kosten für den Betreiber auch ohne eigenes Instandhaltungspersonal über Jahre hinaus planbar. Auftraggeber und Lieferant teilen sich außerdem gegenüber dem Festpreis erzielte Einsparungen – und haben so ein gemeinsames Interesse daran, den Reparaturaufwand niedrig zu halten. Bei dem Pharmaunternehmen hat dies dazu geführt, dass die Instandhaltungskosten gesenkt werden konnten und gleichzeitig die Standzeit pro Pumpe gestiegen ist.

Für den Armaturenhersteller Samson beginnt der After Sales Service bereits bei der Inbetriebnahme. Der Anbieter aus Frankfurt baut sein weltweites Netz an Servicestützpunkten sukzessive aus. Die Niederlassung in Dubai begleitete beispielsweise die Inbetriebnahme von 1000 Stellventilen und Stellklappen im petrochemischen Komplex von Ruwais. Neben Dienstleistungen für den Start von Neuanlagen betreut der Hersteller auch die Revision von Großanlagen.

So zum Beispiel im Frühjahr 2013 bei einem Turn-around einer Anlage in Antwerpen. Um rund 150 Stellventile und Messstellen innerhalb von fünf Wochen einer Revision zu unterziehen oder neu zu planen, zog der Hersteller 27 eigene Ventilspezialisten aus elf Ländern am eigenen Servicestützpunkt in Antwerpen zusammen. Mit der Reparatur wurde auch eine Analyse von Schadensbildern und Prozessbedingungen durchgeführt. Aus diesen leiteten die Spezialisten des Herstellers Vorschläge für lebensverlängernde Maßnahmen ab, um künftig die Wartungsintervalle der Komponenten zu verlängern.

Vom Reparaturservice zur Prozessoptimierung

Das Beispiel steht stellvertretend für einen Trend im Betrieb von Prozessanlagen: Deren Betreiber erwarten von ihren Komponentenlieferanten zunehmend Vorschläge für die Optimierung des Betriebs. Herstellern, die sich darauf einlassen und entsprechende Dienstleistungen anbieten, winkt der Aufbau von Anwendungs-Know-how, mit dem sie sich langfristig als unersetzlicher strategischer Partner positionieren.

Verlängerte Standzeiten

Diesen Weg hat auch der österreichische Spezialist für Kompres-sorkomponenten Hoerbiger eingeschlagen. Im weltweit hart umkämpften Servicegeschäft für Kolbenkompressoren setzt der Anbieter auf erweiterte Leistungen durch die beispielsweise die Standzeit von Kolbenmaschinen deutlich verlängert werden soll. Dazu gehört das Angebot eines detaillierten Audits der Zuverlässigkeit und der Effizienz von Kompressoren (REE – Reliability, Efficiency, Environmental Soundness) mit dem Ziel, den Prozess nachhaltig zu verbessern.

Dafür prüft ein Audit-Team vor Ort, ob und mit welchem Aufwand ein Kompressor optimiert werden kann, schlägt konkrete Maßnahmen vor und setzt diese auf Wunsch um. „Während sich die Prozessbedingungen immer schneller ändern, sind Kompressoranlagen häufig auf eine Betriebszeit von 30 Jahren und mehr ausgelegt. Wir helfen den Betreibern dabei, die bewährten Maschinen kontinuierlich zu verbessern und damit wettbewerbsfähig zu bleiben“, erklärt Nikolaus Lubega, Business Development Manager und REE-Auditor bei Hoerbiger. In einem umkämpften Wettbewerbsumfeld soll der know-how-intensive Service auch dazu beitragen, das Angebot von dem der Konkurrenz abzugrenzen.

Fallstricke beachten

Die erste Maschine verkauft der Vertrieb, die zweite verkauft der Service. Diese Weisheit gilt auch für Investitionsgüter. Doch der Erfolg mit Serviceangeboten stellt sich nicht automatisch ein.

Hersteller müssen Antworten auf folgende Kernfragen finden:

  • Wie können Vertriebs- und Servicenetz effizient und im Hinblick auf die Bedürfnisse ihrer Kunden ausgebaut werden?
  • Welche Serviceangebote werden tatsächlich benötigt und tragen sowohl beim Abnehmer als auch beim Anbieter zur Wertsteigerung bei?
  • Welche Anforderungen bestehen an die Ersatzteillogistik und wie können diese erreicht werden?
  • Wie müssen Servicemitarbeiter qualifiziert werden?

Letzteres betrifft im Übrigen nicht nur die technische Qualifikation, sondern auch persönliche und verkäuferische Fähigkeiten. Denn der Servicemitarbeiter prägt das Gesicht des Unternehmens und die Marke und er hält den Schlüssel zur Kundenbindung in seiner Hand. Daneben tragen gute Servicemitarbeiter mit Anwendungserfahrungen zur Produktentwicklung bei und liefern dem Vertrieb Impulse.

Fazit

Die Beispiele zeigen, dass After Sales Services sowohl für Hersteller von Anlagenkomponenten als auch für Prozessbetreiber Mehrwert schaffen. Sie bieten für Anlagenbetreiber die Möglichkeit, Instandhaltungskosten zu flexibilisieren und die Verfügbarkeit ihrer Anlagen zu verbessern. Auf der Seite der Hersteller können sie das Ergebnis verbessern und gleichzeitig zu einer deutlich höheren Kundenbindung führen. aru

 Quelle: Achema-Trendbericht

 

Das bleibt hängen

Tafelbild

Bild: fotolia. Robert Kueschke

Von der Dienstleistungswüste zum Erfolgsfaktor

  • In der Wirtschaft nehmen zusätzliche Dienstleistungen am Kunden, wie Gratiswasserspender oder Erinnerungsschreiben, zu. Die Industrie schöpft ihr Servicepotenzial bisher nicht aus. Im deutschen Maschinen- und Anlagenbau entfällt auf das After-Sales- und Servicegeschäft lediglich ein Umsatzanteil von 15 Prozent.
  • Untersuchungen des VDMA zufolge erzielen Unternehmen, die After Sales Services als eigenständiges Geschäftsmodell praktizieren, einen durchschnittlichen Deckungsbeitrag von 47 Prozent.
  • Der Erfolg mit Serviceangeboten stellt sich jedoch nicht automatisch ein.
  • Hersteller müssen Antworten auf folgende Kernfragen finden: Wie können Vertriebs- und Servicenetz effizient und im Hinblick auf die Bedürfnisse ihrer Kunden ausgebaut werden? Welche Serviceangebote werden tatsächlich benötigt und tragen sowohl beim Abnehmer als auch beim Anbieter zur Wertsteigerung bei? Welche Anforderungen bestehen an die Ersatzteillogistik und wie können diese erreicht werden? Wie müssen Servicemitarbeiter im Hinblick auf technische, persönliche und verkäuferische Fähigkeiten qualifiziert werden?

 

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