Theater Stockholm,
Eine Zeitspanne von nur fünf Monaten erlauben festgelegte Spielzeiten für die Modernisierung der Untermaschinerie der Königlichen Oper Stockholm. (Bild: Royal Opera AB)

Im Burgtheater wird die Obermaschine von hydraulisch angetriebenen Winden von Rexroth bewegt. Diese Systeme wurden an die neue Steuerungs- und Sicherheitstechnik angebunden. Um sicherzustellen, dass dabei nichts schief ging, wurden die Schaltschränke bereits vollständig verkabelt und auf Testständen bei Rexroth probeweise in Betrieb genommen. Die Bühnentechniker wurden schon Monate vor den Umbauarbeiten an die neue Steuerungstechnik gewohnt. Bisher saßen sie an meterlangen Pulten, um das Bühnenbild zu gestalten. Mit der neuen Technik hatten sie nun neue Möglichkeiten bei der Dramaturgie, waren mobil und konnten die gesamte Anlage und Technik per Smart Devices steuern. Mögliche Störungen werden einfach per Fernzugriff aus Lohr per VPN (Virtual Private Network) beseitigt.

Aber nicht nur das Burgtheater in Wien bedurfte einer Modernisierung, auch die Königliche Oper Stockholm musste auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden. Denn nicht nur die Sicherheitstechnik war veraltet, sondern es wurde auch langsam schwierig, geeignete Ersatzteile dafür zu finden. Daher wurde im Herbst 2013 ein Konzept für eine Sanierung der Untermaschine erstellt. Wunsch des Betreibers war es, bei vollständiger Gleichzeitigkeit aller Podien mit einem Anschlusswert von maximal 400 Ampere verfahren zu können. Darüber hinaus sollte die neue Maschinerie intuitiv bedienbar sein und den gängigen Sicherheitsanforderungen aus DIN 56950-1 und DIN EN 61508 SIL 3 entsprechen.

Umbauarbeiten in fünf Monaten

Die Sanierungen sollten in fünf Monaten abgeschlossen sein. Die Untermaschinerie bestand aus fünf Primärpodien mit jeweils drei aufgebauten Sekundärpodien. Die Primärpodien konnten einen Hubweg von sieben Metern mit einer Maximalgeschwindigkeit von 0,35 Meter pro Sekunde zurücklegen, die Sekundärpodien 2,5 Meter Hubweg bei gleicher Maximalgeschwindigkeit.

Hybridaktuators,
Schematische Darstellung des Hybridaktuators für die Obermaschine in der Oper Stockholm. (Bild: NovoSc)

Um die geforderte Energieeffizienz zu erreichen, war eine Auskonterung der ständigen Lasten notwendig. Eine konventionelle Lösung über mechanische Kontergewichte schied aufgrund der begrenzten Platzverhältnisse auf der Bühne aus. Daher kam eine neuartige Technik zum Einsatz, die einen hydraulischen Zugzylinder mit einem mechanischen Schraubenantrieb kombinierte. Dabei übernimmt die Hydraulik die Aufgabe einer ständigen Auskonterung der Eigengewichte und die Mechanik die Bewegung der Differenzlasten.

Die Bewegung des Podiums erfolgt über einen einfach eingescherten Seiltrieb über den sogenannten Hybridaktuator. Die Auskonterung erfolgt über eine Ringfläche im Zylinder, die mit einem hydraulischen Druck beaufschlagt wird. Der Druck entspricht etwa 90 Prozent der ständigen Lasten bei ausgefahrener Kolbenstange, bezogen auf die Ringfläche des Zugzylinders. Er wird über einen angeschlossenen Kolbenspeicher hinter dem Lasthalteventil zur Verfügung gestellt. Koaxial im Hydraulikzylinder ist der Schraubenantrieb eingebaut, der die Kolbenstange bewegt. Die Mechanik besteht aus einem Planetenrollengewindetrieb. Diese Technik ermöglicht die Bewegung hoher Lasten bei besonders kompakter Bauform und leisen Bewegungsgeräuschen. Aufgrund der Rollreibung der Planetenrollen ist der Wirkungsgrad des Antriebs deutlich höher als bei einem konventionellen Spindelantrieb und nahezu verschleißfrei.

Minimaler Energieverbrauch

Die kompakte Bauweise fügte sich ideal in die historische Bauumgebung ein. Der maximale Energieverbrauch liegt nun unter der gesetzten Grenze bei 350 Ampere. Der Clou des Systems ist außerdem, dass Hydraulik und Mechanik unabhängig voneinander die Sicherheitsfunktion als tragendes Konstruktionselement im Kraftfluss übernehmen können. So übernimmt ein System bei Ausfall des anderen die volle Last im Störfall – und das sicher. Dadurch ist die Antriebstechnik sicherheitstechnisch redundant ausgelegt.

Podienanlage mit Hybridantrieb,
Neue Podienanlage mit Hybridantrieb. Diese könne nun gleichzeitig mit einem Anschlusswert von maximal 400 Ampere verfahren werden. (Bild: Bosch Rexroth)

Die Steuerungstechnik ist auf dem neuesten Stand der Technik nach DIN EN 61508 SIL 3 mit 21 Sicherheitsfunktionen ausgeführt. Mit dem Einsatz eines Aktiv-Logik-Lasthalteventils als 2. Sicherheitseinrichtung gemäß DIN 56950-1 können die dynamischen Kräfte im Störfall reduziert werden. Durch die hydraulische Vorspannung hat die mechanische Antriebstechnik fast kein Radialspiel. Das ist vor allem bei Steifigkeit, Bewegungskontinuität und Positionierbarkeit, auch bei Richtungswechseln, von großem Vorteil.

Daneben lässt sich die neue Technik, wie schon im Burgtheater Wien, per Smartphone und Tablet-PC einfach und mobil bedienen. Außerdem können Bediener am SCIV-Bedienpult einfach per Wischen navigieren und Änderungen direkt auf dem Bildschirm eingeben. So erhält der Bediener auf einen Blick alle wichtigen Informationen über die gesamte Ober- und Untermaschinerie sowie über programmierte Verwandlungen.

Gemeinsame Entwicklungsarbeit

Die Untermaschinerie wurde in Zusammenarbeit zwischen der Königlichen Oper und der Firma Bosch Rexroth entwickelt. Die Königliche Oper, unterstützt durch das schwedische Bühnenplanungsbüro NovoScen, stellte die mechanische Konstruktion als weitestgehend werkstattfertige Ausführungsplanung zur Verfügung.

Im weiteren Projektverlauf vervollständigte Bosch Rexroth die Maschinerie mit Hydraulik und Steuerungstechnik. In Rahmen der Entwicklungskooperation erfolgte vorab eine Simulation der Antriebscharakteristik. Im Mai 2014 schloss das Haus und begann mit dem Rückbau der alten Bühnenpodien aus dem historischen Gebäude, während die Vormontage der neuen Podien-Anlage im Herstellerwerk startete.

Untermaschinerie,
Untermaschinerie während der Montage. Aufgrund der engen Platzverhältnisse kam hier eine neue Technik zum Einsatz. Ein hydraulischer Zugzylinder wurde mit einem mechanischen Schraubenantrieb kombiniert. (Bild: Bosch Rexroth)

Nach dem Entkernen der Bühnengrube waren umfangreiche Rohbauarbeiten erforderlich, die Tiefe der Bühnengrube blieb unverändert. Druckspeicher, Antriebstürme mit den Hybridaktuatoren und die neuen Podien wurden in Präzisionsarbeit in das Gebäude gebracht und montiert. Aufgrund der festgelegten Spielzeitunterbrechung durfte die Bauzeit der Maschinerie fünf Monate nicht überschreiten. Und so startete pünktlich im Oktober erneut der Spielbetrieb. Diesmal mit der neuesten Technik für die Stockholmer Bühne.

Infokasten

Die königliche Oper Stockholm

Die Königliche Oper in Stockholm ist die schwedische Staatsoper. Das 2-Sparten-Haus (Oper und Ballett) am Gustav-Adolf-Platz in direkter Nachbarschaft zum Königlichen Stockholmer Schloss und dem schwedischen Reichstag produziert jährlich 20 Opern- und fünf Ballettinszenierungen. Das Haus wurde 1898 erbaut und ist das zweite Opernhaus an diesem Platz. Das neue Opernhaus wurde im neoklassizistischen Stil von Axel Anderberg an derselben Stelle errichtet, an der sich das alte Haus befand. Die Einweihung fand am 19. September 1898 durch König Oskar II. statt. Gespielt wurde Adolf Fredrik Lindblads Oper Frondörerna (Die Rebellen). Der Saal hat etwa 1100 Plätze; an der Decke befindet sich ein zwei Tonnen schwerer Kronleuchter. Das imposante sogenannte Goldfoyer (Guldfoajé) ist aufwändig mit Gold und Spiegeln verziert und misst 28 mal acht Meter. Im neuen Haus gibt es seit 1895 auch ein Restaurant und seit 1905 eine Bar.
Im ersten Opernhaus aus dem Jahr 1775 wurde 1793 der schwedische König Gustav III. bei einem Maskenball ermordet. Dieses Ereignis lieferte Giuseppe Verdi den Stoff für seine gleichnamige Oper.

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