Ellipsometer

Das sogenannte Ellipsometer bestimmt die Schmierfilm-Dicke auf Hydraulikstangen. Das Gerät misst optisch und damit zerstörungsfrei. Der Vergleich von Schmierfilmen, einmal bei stemmender und einmal bei ziehender Bewegung, liefert die Abdichtwirkung. (Bild: fluid/do)

Die Benetzungseigenschaften eines Schmierstoffes könnten die Funktionstüchtigkeit von Stangen- und Wellendichtungen enorm beeinflussen, erklärt Professor Werner Haas vom Institut für Maschinenelemente an der Universität Stuttgart. Bei Wellendichtungen gibt für diesen Einfluss einen Erklärungsansatz, der nun in einer Dissertation auf Stangendichtungen übertragen werden soll. Den Forschungsantrag dazu will das Institut demnächst einreichen, damit das Projekt mit dem neuen Jahr starten kann.

Die Anforderungen an Betriebsmedien und Schmierstoffe sind vielfältig. So müssen sie unbrennbar, biologisch abbaubar, hoch oxydationsbeständig oder tieftemperaturtauglich sein. Folglich haben sie mit Mineralöl chemisch nur noch wenig gemein. Dadurch aber vertragen sie sich schlecht mit dem Dichtungswerkstoff. Zwar lassen sich das Quellen und Schrumpfen durch Voruntersuchungen ausschließen, um die Funktionssicherheit nachzuweisen, sind jedoch langwierige, teure Freigabeversuche erforderlich.

Einen Lösungsansatz liefern neuere Untersuchungen auf dem Gebiet der rotatorisch wirkenden Radialwellendichtungen. Sie zeigen, dass die Schmierstoffbenetzung die Funktion der Dichtung maßgeblich beeinflusst. Die Forscher an der Uni Stuttgart nehmen an, dass sich diese Ergebnisse auf translatorisch wirkende Stangendichtungen übertragen lassen. Ergebnisse anderer Arbeiten festigen diese Vermutung.

Günstiger als Versuch und Irrtum

Kontaktwinkelmessgerät

Fluid auf PTFE-Block: In der Tribologie ist das Benetzungsverhalten ein wichtiger Faktor. Um es zu charakterisieren, verwenden die Wissenschaftler ein Kontaktwinkelmessgerät. Bild: fluid/do

Falls die Annahme der Stuttgarter zutrifft, ließe sich damit eine Methode erarbeiten, um Stangen- und Dichtungswerkstoffe auf ein gegebenes Betriebsmedium abzustimmen (und umgekehrt). Für die Unternehmen würde dann das teure Vorgehen nach Versuch und Irrtum entfallen; sie könnten stattdessen ihre Dichtungssysteme und Medien gezielter und mit geringerem Aufwand auswählen, argumentiert Institutsmitarbeiter Dr. Peter Schuler, der den Forschungsantrag erarbeitet hat.

Interessant wäre dies auch bei Sonderfällen, wo es an Erfahrungswerten mangelt, beispielsweise wenn in Leichtbau-Anwendungen neue Werkstoffe verwendet werden oder bei neuen Stangenbeschichtungen, die den Verschleiß verringern sollen.

Charakteristisch für die Benetzung ist, welche Gestalt ein Tropfen auf einer Oberfläche annimmt. Normalerweise wird die Benetzung über den Kontaktwinkel gemessen, den Tropfen und Oberfläche bilden. Dieses Verfahren funktioniert jedoch nicht für filmbildende Medien, zu denen auch viele Schmierstoffe gehören. Stand der Technik ist es daher, die Benetzung indirekt über Mnessungen mit mehreren Vergleichs-Stoffen und bestimmten Berechnungsmethoden zu ermitteln.

Forschungsansätze

Aus den Erkenntnissen zu Radialwellendichtungen lassen sich zwei Ansätze auf translatorisch wirkende Hydraulik-Dichtungen übertragen. Erstens: Die Fähigkeit der Gegenlauffläche, Schmierstoff mitzuschleppen, hängt neben der Viskosität auch von der Bindungsenergie zwischen Schmierstoff und Gegenlauffläche ab, also von der sogenannten Adhäsionsarbeit. Zweiten: Ob die Benetzung vollständig oder unvollständig ausgeprägt ist, beeinflusst den Schmierungszustand bei nicht voll hydrodynamischer Reibung.

Die Forscher verwenden dabei eine Modellvorstellung, die zwischen zwei Fällen unterscheidet: einerseits vollständig und andererseits unvollständig benetztes Dichtring-Elastomer. Vollständige Benetzung erreichen Schmierstoffe mit geringer Oberflächenenergie, zum Beispiel Silikonöle.

Dabei bildet sich sowohl auf der Gegenlauffläche als auch auf dem Elastomer ein durchgängiger Schmierstoff-Film. Schmierstoffe mit hoher Oberflächenenergie, zum Beispiel Polyglykole, können die Oberflächen unvollständig benetzen. Dann bildet sich zwar meist mit der Gegenlauffläche ein Film, aber nicht auf der Dichtkante. Sie kann den Schmierstoff sogar verdrängen und die Gegenlauffläche berühren. Mangelschmierung und Verschleiß sind dann die Folge.

Oberflächenvergrößerung verstärkt den Effekt in beide Richtungen: Raue Oberflächen werden durch benetzende Schmierstoffe noch stärker benetzt. Durch unvollständig benetzende Schmierstoffe werden sie noch weniger benetzt. Ob diese Effekte, die bei Radialwellendichtungen festgestellt wurden, sich auch bei translatorisch wirkenden Stangendichtungen zeigen, wollen die Forscher nun herausfinden.

Damit bleibt noch das Ruckgleiten als Faktor, den es zu beachten gilt. Dieser Stick-Slip-Effekt stört bei Stangendichtungen die exakte Positionierung der Komponente. Ob er auftritt, entscheidet vor allem der Reibungszustand, der wiederum, vor allem bei geringen Geschwindigkeiten, stark von der Benetzung beeinflusst wird. So bleibt der Reibwert in diesem Fall nach dem Anfahren zunächst annähernd konstant und fällt erst kurz vor dem Ausklinkpunkt ab. Die Differenz aus Haftreibung und Gleitreibung ist also besonders klein. Damit verringert sich die Neigung zum Ruckgleiten.

Komponenten in Segmente zerkleinert

Dichtungsforschung an der Universität Stuttgart: Zur Qualitätsprüfung wurden die Komponenten in Segmente zerkleinert. Bild: fluid/do

Schuler erklärt in dem Forschungsantrag, das Institut würde auf Basis dieser all Überlegungen von drei Hypothesen ausgehen:

  • Ist die Dichtung unvollständig benetzt, kann die Stange mehr Öl gegen den Systemdruck fördern, ist sie vollständig benetzt, kann höhere Leckage auftreten.
  • Wird die Oberfläche vollständig benetzt (positiver Spreitungskoeffizient), mindert dies den Verschleiß des Dichtrings. Wird die Oberfläche unvollständig benetzt (negativer Spreitungskoeffizient), erhöht das den Verschleiß. Sollte dies zutreffen, könnten Anwender anhand von Diagrammen bei gegebenem Betriebsmedium verschleißarme Dichtungswerkstoffe auswählen, beziehungsweise bei vorgegebenem Dichtungswerkstoff einen passenden Schmierstoff auswählen.
  • Bei Pneumatik- und Hydraulik-Stangendichtungen ist die Anregung zu Ruckgleiten geringer, wenn der Schmierstoff die Dichtung unvollständig benetzt.

Die Forscher wollen Stangendichtungen sowie deren Benetzungseigenschaften untersuchen, um diese Hypothesen zu überprüfen. Bei den Hydraulik-Stangendichtungen geht es dabei um die Funktion, also dynamische Dichtheit oder Leckage, das Reibverhalten und Verschleißverhalten in Abhängigkeit der Schmierstoffbenetzung.

Um das Blickfeld zu erweitern, haben sich die Wissenschaftler nicht nur Versuche mit kommerziellen Betriebsmedien wie HLP, HEGT, HFA und HFD vorgenommen, sondern auch Versuche mit Betriebsmedien, die in der Praxis so nicht eingesetzt werden. Als Dichtelemente sind in den Versuchen Nutringe aus Polyesterurethan und Fluorkautschuk vorgesehen.

Bei Pneumatik-Stangendichtungen konzentrieren sich die Arbeiten auf den Verlauf des Reibwerts über die Stangengeschwindigkeit, wofür die Forscher einen speziellen Prüfstand und verschiedene Schmierfette verwenden. Außerdem planen sie, bei allen verwendeten Komponenten sowie weiteren Polymeren und Betriebsmedien die Oberflächenenergie zu messen, um Adhäsionsarbeit und Spreitungskoeffizient zu errechnen.

Autorin: Dagmar Oberndorfer, Redaktion

 

 

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