Nach einer Studie zu Druckluftsystemen in der Europäischen Union (Compressed Air Systems in the European Union, 2001) wird in 80 von 100 Betrieben bis zu 100 Prozent mehr Druckluft produziert als verbraucht. Hinzu kommt der geringe Wirkungsgrad der Technologie. Dieser liegt bei der Erzeugung von mechanischer Druckluftenergie aus Strom bei gerade einmal fünf Prozent. Deshalb gilt es, den Einsatz der Druckluft mit Blick auf die Energieeffizienz gut zu durchdenken. In deutschen Unternehmen sind rund 60.000 Druckluftanlagen in Betrieb
Zusammen verbrauchen Sie Jahr für Jahr 16,6 Terawattstunden, was sieben Prozent des gesamten Stromverbrauchs der heimischen Industrie entspricht. „Die Kosten dafür ließen sich um bis zu 30 Prozent senken“, sagt Professor Sauer, Bereichsleiter Ressourceneffiziente Produktion am Fraunhofer IPA und Leiter des Instituts für Energieeffizienz in der Produktion (EEP) der Universität Stuttgart. Eines der größten Einsparungspotenziale ergibt sich für ihn vor allem daraus, dass die allermeisten Druckluftanlagen ineffizient arbeiten. Der Grund: die hohe Anzahl der Leckagen. Hierzu zählen Löcher und Knicke in den Schläuchen oder undichte Verbindungsstücke. Oft ist es nicht einfach, die Leckage schnell und eindeutig identifizieren. Nicht alle Teile einer Druckluftanlage sind mühe- und gefahrlos zugänglich. Die Lecks sind oft so klein, dass sie mit bloßem Auge nur sehr schwer oder nicht erkennbar sind. Bisher behelfen sich Betreiber von Druckluftanlagen mit einem Ultraschallmessgerät, das die für den Menschen nicht hörbaren Frequenzbereiche aufspürt. Die meisten Unternehmen betreiben diesen Aufwand allenfalls einmal jährlich oder leben einfach mit den Leckagen.
Löcher, Knicke und undichte Verbindungsstücke
Mit Künstlicher Intelligenz wollen Christian Dierolf und sein Kollege Christian Schneider undichte Stellen in Druckluftanlagen ermitteln und der Verschwendung ein Ende setzen. Dazu haben die beiden Forscher im ersten Schritt eine Demonstrationsanlage aufgebaut. In ihr strömt die Druckluft wahlweise durch intakte Schläuche oder durch welche mit kaum sichtbaren Löchern, Knicken und undichten Verbindungsstücken – was zu den häufigsten Leckagen-Formen von industriellen Druckluftanlagen zählt. Welchen Weg die Druckluft auch nimmt, für das bloße Auge macht dies keinen Unterscheid: Die Aktoren erledigen ihren Job. Doch der Demonstrator misst, ob die Luft mit mehr oder weniger Druck durch die Schläuche strömt, ermittelt den Durchfluss, die Position der Aktoren, den Zustand der Ventile und erfasst Ultraschallsignale. All das wird zeitsynchron in einer Cloud gespeichert.
„Der Demonstrator schafft also die Basis für unsere datengetriebene Produktionsforschung, etwa durch das Trainieren selbstlernender Algorithmen“, erklären die Forscher. Diese Algorithmen sollen später auf Industrieanwendungen übertragen werden. Dort sollen sie dann nicht nur die Leckagen ermitteln und lokalisieren, sondern in Zukunft auch gleich die Bezeichnung und die Bestellnummer des betroffenen Bauteils über eine App ausspielen. Der Verantwortliche für die Druckluftanlage muss dann nicht mehr lange im Katalog suchen. Stattdessen kann er mit wenigen Klicks Ersatz beschaffen und so die Ausfallzeiten kurzhalten. „Neben der Klassifikation der Leckagen liegt die Identifikation der im Druckluftnetz der Maschine vorhandenen Aktoren mit minimalem Messaufwand im Fokus der Forschung“, sagt Dierolf.
Leckagen im Druckluftkreislauf
Digitale Komponenten machen dem produzierenden Gewerbe die schnellere und genauere Lokalisierung der Leckagen leichter. Mit der Digitalisierung des gesamten Druckluft-Prozesses können Industrieunternehmen in Echtzeit den Fortschritt des Projekts sowohl bei der Leckageortung als auch bei der Leckagebeseitigung verfolgen. Sie bekommen einen Überblick über den aktuellen Leckagestand, zum Beispiel Anzahl der Leckagen, Kosten, den CO2-Ausstoß und weitere Daten sowie die bereits erzielten Einsparungen und den Fortschritt der Leckagebeseitigung. Die praktische Filterfunktion nach wirtschaftlicher Wertigkeit, das heißt der Höhe des Druckluft- und Energieverbrauchs sowie nach Bereich oder Maschine, erlaubt es, die lokalisierten Leckagen sinnvoll zu priorisieren und entsprechend zu beseitigen. Dieses smarte Monitoring bieten immer mehr Komponentenhersteller an.
Alle per smart device gesammelten Daten können über das kundenspezifische Leckage-Online-Portal abgerufen werden. Benötigt wird hierfür nur ein Gerät mit Browser und Internetverbindung. Damit kontrollieren Betreiber von Druckluftanlagen, aber auch Energie- und Umweltbeauftragte die Analyse und Optimierung des Druckluftnetzes. Mögliche Schwachstellen im Druckluftsystem können so besser und schneller aufgedeckt werden. Durch die digitale Dokumentation können die Werte optimal für ein bestehendes Umwelt- und Energiemanagementsystem verwendet werden. „Mit einem Klick wird ein Bericht mit allen relevanten Daten erzeugt“, erklärt Stefanie Kästle, Leiterin Qualitäts-, Umwelt-, Energiemanagement bei Mader. „Eine Optimierung eines Druckluftnetzes mit vernetzenden Industrie 4.0-Komponenten nutzt wenig, wenn die physische Basis nicht auf die Anwendung hin richtig geplant wird“, erklärt Andreas Brand vom Fachverband Kompressoren, Druckluft- und Vakuumtechnik im VDMA. Deshalb habe die VDMA-Fachabteilung Drucklufttechnik das Einheitsblatt 15391-1 „Druckluftverteilung – Wirtschaftliche und sichere Planung – Teil 1: Planung und Neubau“ entworfen. Das Einheitsblatt hilft bei der Grob- und Detailplanung der verschiedenen Komponenten der Pneumatik vorgeschalteten Druckluftverteilung wie Rohre, Armaturen, Kupplungen et cetera. Es gilt als Nachschlagehandbuch mit Checklisten angesehen werden. Besonders hervorzuheben sind die Hinweise zur Auswahl und Einbau von Druckluft-Messtechnik inklusive Wartungsarmaturen.
„In diesem Zusammenhang sollte man bedenken, dass Kompressoren als thermodynamische Maschinen eine natürliche Obergrenze der Effizienz haben, an diese sie sich annähern, aber nie überschreiten können“, sagt Brand. Deshalb gelte auch weiterhin die Feststellung aus dem 16 Jahre zurückliegenden Projekt „Druckluft effizient“: Die Einsparungen liegen im Druckluftsystem und nicht in der alleinigen Optimierung des Kompressors.
Meist wird vernachlässigt, dass im Druckluftnetz mit seinen Leckagen durch Alterung bares Geld verloren geht. Regelmäßige Auditierungen sind ein Muss. Hierbei helfen das VDMA-Einheitsblatt 4370 zu einer Initialauditierung und DIN EN ISO 11011 zu einer detaillierten Energieanalyse. „Wird dies alles berücksichtigt, dann ist Druckluft nicht teuer, sondern effizient“, betont Brand abschließend.
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