Die Corona-Pandemie ist noch nicht überstanden. Viele Industriezweige arbeiten immer noch auf Sparflamme. Bis die Mühlen wieder in Vollast mahlen, müssen die Parameter in Produktion und Vertrieb neu justiert werden. Zwei Unternehmen aus China und Italien stehen im Epizentrum der weltweiten Wirtschaftskrise: AirTAC mit Sitz in Ningbo (China) und seine italienische Tochtergesellschaft ATC Italia Srl. aus der Lombardei, in der Nähe von Mailand. Welche Maßnahmen die Druckluft-Experten in der Krise ergriffen haben und welche Konsequenzen die Corona-Pandemie mittelfristig auf die Geschäfte haben wird, erklärt Mirko Pisciottano, Verkaufsleiter von ATC Italia im Interview.
Welche Erkenntnisse ziehen AirTac und ATC aus der Corona-Krise?
Unbestritten ist de Tatsache, dass unsere Geschäfte durch die wochenlange Schließung der Produktion, einschließlich bestimmter Sektoren, die für die Unterstützung des Geschäfts von wesentlicher Bedeutung sind, schwere Schäden erlitten hat.
Kurzfristig wird es nicht einfach sein, Zeit- und Umsatzverluste auszugleichen und Prognosen für die nächsten Monate zu erstellen. Sicherlich können wir die Veränderungen, die die Corona-Pandemie gesamtgesellschaftlich gebracht hat, nicht ignorieren. Es ist uns daher wichtig, die Automatisierung in unseren Produktionsprozessen zu beschleunigen.
Optimistische Kunde kommt aus China: Unser Mutterkonzern AirTAC hat hier einen passablen Neustart hingelegt und verzeichnet – trotz der Schließzeit des Unternehmens – eine tendenziell steigende Umsatzkurve.
Was haben Sie getan, um das Kundengeschäft sicherzustellen?
Seit Anfang Februar versucht ATC Italia, die europäische Niederlassung von AirTAC, die versäumten Sendungen mit den wichtigsten Lagerbeständen und der Produktionskapazität in Italien zu kompensieren.
Glücklicherweise war unser Hauptsitz in Taiwan während der gesamten Notstandszeit weiterhin voll ausgelastet, was uns wertvolle Unterstützung bei der Bearbeitung wichtiger und dringender Kundenaufträge garantiert hat.
Die in China gesammelten Erfahrungen im Umgang mit dem Virus haben das Unternehmen veranlasst, die Eindämmungsmaßnahmen in der europäischen Niederlassung (ATC Italia) vorwegzunehmen.
Seit März arbeiten wir im Smart Office und setzen dies auch heute noch fort. Ziel ist es ganz klar, den ATC-Mitarbeitern maximalen Schutz zu gewährleisten und unseren Kunden einen vollständigen und kontinuierlichen Service zu bieten.
Der Beginn der Arbeiten im Smart Office fiel mit der Wiedereröffnung der beiden Produktionsstätten in China zusammen. Wir haben uns sofort bemüht, allen Kunden die Möglichkeit zu geben, das Material direkt zu importieren und dem Management die notwendige Unterstützung in der Logistik und Bürokratie zu bieten.
Das Lager in Italien hat Notfallpläne erarbeitet, damit die Datenerfassung jederzeit garantiert werden kann. Zudem haben wir die Mitarbeiterzahl auf ein dafür notwendiges Minimum reduziert.
Gibt es in dieser für viele Wirtschaftssektoren sehr schwierigen Situation einen positiven Aspekt?
Wir sind davon überzeugt, dass künftig hervorragende Aussichten für den Bereich Automatisierung bestehen. Der wichtigste Weltmarkt, China, zeigt dies bereits mit stark steigenden Zahlen. Ich denke, dass andere Industrienationen diesem Trend folgen werden. Es kann sein, dass die Bilanzen in den Auftragsbüchern bereits am Ende des Jahres, vielleicht aber auch erst in 2021 wieder deutlich positiver aussehen.
Wie haben Sie die Logistik in dieser Situation orchestriert?
Wir haben immer versucht, das bestmögliche Gleichgewicht zwischen maximalem Schutz der Arbeitnehmer und unseren Marktaktivitäten herzustellen. Unsere starke Importschiene hat dafür gesorgt, Produktionsausfälle in Italien zu kompensieren.
Wir haben es daher geschafft, die Stärke unserer drei wichtigsten asiatischen Produktionsstätten in Taiwan, Ningbo und Gaungdong mit einer Gesamtproduktionskapazität von über 80 Millionen Stück pro Jahr zu nutzen. Das Material konnte so per Schiff und Flugzeug nach Europa verschifft werden.
In unserer italienischen Niederlassung kümmerten wir uns um den Versand, damit das Notfallmanagement in den wesentlichen Sektoren weiter läuft. Außerdem wurde den Mitarbeitern in Italien die Unterstützung unseres Vertriebsnetzes angeboten, das in einigen Fällen funktionsfähig blieb.
Welche Sicherheitsmaßnahmen haben Sie getroffen, um Ihre Mitarbeiter zu schützen, egal ob Sie zu Hause arbeiten oder im Smart Office?
ATC hat restriktive Maßnahmen ergriffen, bevor sie von den jeweiligen Regierungen vorgeschrieben wurden. Das Smart Office wurde für alle Mitarbeiter in den Büros verwendet. Alle Mitarbeiter, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Arbeitsplatz gelangen müssen, blieben zu Hause und haben im Home Office gearbeitet.
Was bedeutet eigentlich Smart Office?
Home Office kennen in diesen Zeiten viele Arbeitnehmer führender Industrienationen wie Deutschland oder China. Eine Variante, die sich gerade in hoch digitalisierten Verwaltungsstandorten durchsetzt, nennt sich Arbeiten im Smart Office: Smart Office bezeichnet einen technischen Ansatz in der Büroinfrastruktur. Hierbei sind die Arbeitsräume untereinander vernetzt. Hierzu gehören Whiteboards, internetfähige Drucker und unkonventionelle Büroeinrichtungsgegenstände wie Lounge-Möbel sowie höhenverstellbare Schreibtische. Diese Arbeitsatmosphäre soll die Kreativität und die Arbeitsleistung der Mitarbeiter fördern. Das Smart Office gilt auch als eine Effizienzsteigerung der personellen Ressourcen.
Welche konkreten Maßnahmen haben Sie in der Corona-Krise ergriffen?
AirTAC war in China sehr mit den Auswirkungen des Virus beschäftigt. Auf Ersuchen der Regierung wurde bereits in der zweiten Februarhälfte mit der Produktion von Komponenten für das Gesundheitssystem begonnen. Daran waren etwa 500 Mitarbeiter in Ningbo beteiligt. Wir arbeiten weiterhin an der maximalen Produktionskapazität, um diese Anforderungen zu erfüllen.
ATC Italia hat sich verpflichtet, große Mengen an Masken, die insbesondere in den frühen Stadien der Epidemie praktisch nicht verfügbar waren, kostenlos an Mitarbeiter und Kunden zu liefern.
Diese Initiative wurde sehr geschätzt, weil die Mitarbeiter gebraucht wurden und niemand entlassen werden musste. Alle, die sich bereiterklärt hatten, weiter zu arbeiten,erhielten zudem einen Bonus.
Wie sollte Ihrer Meinung nach die Politik handeln, um von der Corona-Krise betroffene Unternehmen zu unterstützen?
In der ersten Phase des Neustarts hatten wir einige Schwierigkeiten, angefangen von Rechnungszahlungen über den allgemeinen Rückgang des Auftragseingangs bis hin zum Stopp vieler neuer und wichtiger Projekte.
Viel Zeit benötigten wir nicht, um als Wirtschaftsunternehmen die Strategien der Gesundheitspolitik zu unterstützen. Aus meiner Sicht brauchen wir klare Regeln, die es uns ermöglichen, die Geschäftstätigkeit wieder auf 100 Prozent zu bringen. Es muss die gesamte Liquidität gewährleistet sein, damit der Motor der Produktion wieder anspringt und die Lieferketten funktionieren. Wir müssen ein Klima des Vertrauens schaffen, damit neue konkrete Geschäftsmöglichkeiten entstehen und damit unsere gesamte Wirtschaft zu neuem Leben erweckt wird.
Unsererseits wurden alle wichtigen Investitionen bereits bestätigt. Sie werden sich auf die Mitarbeiter, die Struktur und die neuen Produkte auswirken, die wir auf den Markt bringen wollen, obwohl offensichtlich alles nun mit dreimonatiger Verzögerung stattfindet.
Wie sehen Ihre kurz- und mittelfristigen Prognosen unter Berücksichtigung des Einflusses von COVID-19 aus?
Ich gehe davon aus, dass in den nächsten drei bis sechs Monaten sowohl der Umsatz als auch die Bestellungen weiterhin geringer ausfallen werden als im Jahr 2019. Es wird einige Zeit dauern, bis wir entscheidend neu starten.
Aus meiner Sicht werden wir einen langsamen, aber stetigen Anstieg sehen, der es uns ermöglicht, bis Ende des Jahres einen Großteil der Verluste in dieser langen und schwierigen Sperrphase einzudämmen, um dann 2021 wieder zu neuem Wachstum zurückzukehren.
Das Interview führte unser Italien-Korrespondent Diego Casiraghi.
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