Wolf Gerecke, Director Strategic Product Management bei Aventics,

"In der Industrieautomation passiert gerade sehr viel: Die beiden Stichworte sind Industrie 4.0 und Safety", erklärt Wolf Gerecke, Director Strategic Product Management bei Aventics. (Bild: fluid)

Herr Gerecke, ganz allgemein: Wie geht es dem Pneumatikmarkt?

Also grundsätzlich bin ich immer der Meinung, dass es dem Pneumatik-Markt ähnlich gut oder schlecht geht wie seinen Kunden. Dadurch, dass wir ein Komponentenlieferant sind, stehen und fallen wir mit unseren Kunden. Mein Spezialgebiet ist die Industrie­automation, eine Branche, der es nicht schlecht geht; auch wenn es definitiv besser sein könnte. Die uns bekannten Marktdaten für das erste halbe Jahr 2016 zeigen ein leichtes Wachstum.

Regional entwickeln sich die USA ähnlich wie Deutschland. China wächst mit Sicherheit nicht mehr in dem Tempo, wie es vor einigen Jahren mal gewesen ist. Aber die Wachstumsraten sind trotzdem höher als in den „alten Märkten“.

Sie haben gerade China angesprochen: Kann man sagen, dass der asiatische Markt anspruchsvoller wird? Noch ist er im Verruf, eher auf Billigprodukte zu setzen.

Das haben wir mal gedacht. Das denken wir mittlerweile definitiv nicht mehr. Wenn man dort auf Kundenbesuche fährt, sieht man mittlerweile modernste Anlagen. Das beruht einfach auf der Tatsache, dass die Industrie dort – in Anführungszeichen – noch relativ jung ist. Bei vielen Firmen sind wir überrascht, wie modern sie ausgerüstet sind. Aus diesem Grund würde ich inhaltlich in einem Angebot, das man in Europa oder in China macht, keine Unterschiede sehen, denn bei den Erwartungen der Kunden gibt es eigentlich keine großen Unterschiede. Die gibt es lediglich noch bei der Mengenverteilung zwischen High-End- und einfacheren Produkten.

Werden die chinesischen Komponenten-Anbieter dadurch gleichzeitig zu einer starken Konkurrenz?

Das ist es, was immer alle denken und befürchten und was einem der Kunde auch gerne mal erzählt. Die Aussage „Das alles bekomme ich in China für die Hälfte“ stimmt glücklicherweise nach wie vor nicht. Ich wage auch die Behauptung, dass die europäischen Hersteller technisch immer noch einen großen Vorsprung vor den chinesischen Wettbewerbern haben. Und die heutige Pneumatik ist nicht mehr so einfach zu entwickeln, wie manche glauben.

Die Pneumatik ist durch die voranschreitende Automatisierung im Aufwind. Steigen dadurch nur die Verkaufszahlen oder werden dadurch wirkliche Innovationen auf den Markt gebracht?

Auf alle Fälle beides. Ich denke, wenn man steigende Verkaufszahlen haben will, muss man nach wie vor innovativ sein. Das stellen wir glücklicherweise selber auch fest, denn wir geben uns nach wie vor Mühe, immer wieder etwas neu oder anders zu machen. Von daher kann man das, meiner Meinung nach, nicht voneinander trennen. Viele bekannte Produkte bleiben und die Marktlebensdauer der Pneumatikkomponenten ist nach wie vor hoch. Aber die Innovationen sind es, die gerade jetzt nötig sind, um sich in diesem Umfeld weiterhin etablieren zu können.

Aventics ist ja in verschiedenen Branchen unterwegs. Tut sich gerade eine besonders hervor, beziehungsweise: Welche ist derzeit die spannendste oder dynamischste?

Im Prinzip fällt es manchmal schwer, Grenzen zwischen den einzelnen Themenbereichen zu ziehen. Food and Packaging hat zum Beispiel viele Überschneidungen mit der Industrieautomation. Bei Aventics entwickeln wir konsequent für unsere Zielbranchen. Bei Thema Industrieautomation möchte ich die beiden Stichworte Industrie 4.0 und Safety nennen. Diese Themen strahlen auch auf die anderen Bereiche aus, aber die Basisentwicklung und das Basisportfolio dazu kommen nach wie vor aus der Industrieautomation – und da wird auch noch eine Menge passieren.

Können Sie da ein bisschen konkreter werden?

Noch nicht sehr konkret, aber auf den letzten Messen haben wir immer wieder gezeigt, wie wir uns die Integration von Pneumatikkomponenten in eine Industrie 4.0-Umgebung vorstellen. Dazu werden wir bald mehr zeigen können, sprich ein Proof of Concept. Bei der Safety-Entwicklung ist es so, dass – nachdem die Kunden ein paar Jahre gebraucht haben, um sich an den Gedanken zu gewöhnen, wie alles funktioniert – jetzt langsam die neuen Maschinengenerationen von vornherein darauf eingestellt werden. Und da kommen natürlich auch neue Herausforderungen auf uns zu. Das Know-how bei den Kunden ist in den letzten Jahren massiv gewachsen und sie kommen mit immer interessanteren Fragen auf uns zu, auf die wir immer bessere Antworten finden müssen. Wir haben hier im Moment ständig zwei, drei Projekte in der Pipeline und versuchen neue Dinge. Hier entwickeln wir uns derzeit stark von der Idee zu tatsächlichen Produkten.

Wolf Gerecke,
„Die heutige Pneumatik ist nicht mehr so einfach zu entwickeln, wie manche glauben“, so Wolf Gerecke. (Bild: fluid)

Vieles wird zurzeit mit Intelligenz ausgestattet. Wie sieht es mit dem Druckluftsystem aus? Wo soll die Intelligenz sitzen? In den Ventilen, Zylindern, Schläuchen oder müssen einfach alle Komponenten intelligent werden?

Erst einmal wird sie in den Komponenten landen, die schon irgendwie in einer Art und Weise Elektronik mit an Bord haben. Dort ist die Umsetzung am einfachsten und man kann die Kosten besser kontrollieren.

Es lohnt sich noch nicht, ein Einzelventil auf den Markt zu bringen, das sich mit der Cloud verbinden kann. Wir müssen hier zusammen mit unseren Kunden lernen, welches die sinnvollen Anwendungen sind. Im weiteren Verlauf wird es sich nicht vermeiden lassen, dass sich die Intelligenz immer weiter ausbreitet. Und dann kommt man zu Themen, wie eine intelligente Achse auch mal pneumatisch zu machen oder Ventile zu entwickeln, die ihre Sensorik direkt mitbringen. Aber das wird ein bisschen dauern, bis die Integration von Intelligenz wirklich bis in die unteren Komponenten reingeht. In dem Sinne ist die Pneumatik momentan „zu einfach“, als dass man die Intelligenz hier bis in die letzte Komponente wirklich reintreiben würde.

Aber für die Zukunft ist das mit Sicherheit ein Thema. Die Digitalisierung macht nirgendwo Halt: Sensoren werden durch die steigenden Stückzahlen immer günstiger, die Thematik der Informationsübertragung – ob nun Ethernet oder Wireless – wird vorangetrieben und auch die Komponenten werden immer günstiger werden und irgendwann ist dann eine Schwelle erreicht, ab der man darüber nachdenken kann.

Das heißt, dann wird auch der Schlauch intelligent?

Es hat da schon Überlegungen gegeben, aus so einem Schlauch mehr zu machen. Das muss aber nicht unbedingt immer gleich Elektronik bedeuten. Man kann auch pfiffige Materialien benutzen, die an sich schon Eigenschaften mitbringen, die man ganz anders auswerten kann und obwohl ein Schlauch ein sehr plakatives Beispiel ist, würde ich sagen: warum nicht.

Was ist in der Pneumatik gerade der Innovationstreiber?

Ich glaube, das waren eigentlich schon immer die Ventile und die dazugehörige Steuerung. Besonders für uns waren es im Kerngeschäft schon immer die Ventile, bei denen die größten Sprünge gemacht worden sind. Dazu kommt, dass im Moment im Bereich der Sensorik wahnsinnig viele interessante Dinge passieren – und da sind wir dann wieder beim Thema Industrie 4.0 und Digitalisierung. Aber das beschränkt sich dann nicht auf die Pneumatik.

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