„Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Hydraulik heute und morgen aus wirtschaftlichen und technischen Gründen in Pressen unverzichtbar ist“, schätzt Helmut Behl, Vertriebsleiter Pressen bei Bosch Rexroth, die Lage ein. Auch Industrie-4.0-Umgebungen bildeten kein Problem. „In den aktuellen Motion Controls und Motion-Logic-Systemen für Hydraulik sind beispielsweise zahlreiche früher rein hydromechanisch geregelte Funktionen bereits in die Software verlagert.“ Der Einsatz hydraulikspezifischer Regelalgorithmen optimiere die Systemleistung, dezentrale Steuerungen erledigten ihre Aufgaben eigenständig. Sie kommunizieren mit übergeordneten Steuerungen und Leitsystemen über offene Kommunikationsschnittstellen. „Mit diesen offenen Standards lassen sie sich nahtlos in Industrie 4.0-Architekturen einbinden.“

Wo sinnvoll, gehen Hydraulik und Elektrik eine Verbindung ein. Ein Beispiel aus dem Hause Rexroth: servohydraulische Achsen. Sie bestehen im Wesentlichen aus einem Servoantrieb mit Hydraulikpumpe, einem Steuerblock und einem Hydraulikzylinder mit eigenem Fluidkreislauf. Vorteil: Es wird kein zentrales Aggregat mehr benötigt. Die gleichen Servoantriebe treiben sowohl die elektromechanischen Varianten als auch die drehzahlvariablen Pumpen an. Es müssen lediglich noch Leistungs- und Kommunikationskabel angeschlossen werden, alles andere übernimmt die Antriebssoftware.

Bernd Schnabel, Business Development Manager bei Parker Hannifin in Kaarst, weist neben den bekannten Branchenthemen auf einen weiteren Trend hin: die präzise Komplett-Bearbeitung von Werkstücken. „Das erfordert neben Hauptpressenachsen weitere Achsen, die einzeln und unabhängig voneinander in Funktion treten.“ Die Herausforderung für Antriebstechniker bestehe darin, für jede Achse die ideale Antriebsart zu wählen. „Diese können sich hinsichtlich Kräften, Eigenfrequenzen und den zu bewegenden Massen stark unterscheiden.“

Bert Brahmer, Geschäftsführer Voith Turbo H + L Hydraulic.
„Auch beim Thema Energieeffizienz muss sich die moderne Hydraulik keinesfalls verstecken.“ - Bert Brahmer, Geschäftsführer Voith Turbo H + L Hydraulic. (Bild: Voith)

Stand der Technik sind elektrisch oder hydraulisch verstellbare Pumpenregelungen. Darüber hinaus würden drehzahlvariable Antriebe, basierend auf Permanentmagnet- oder Asynchron-Motoren, in Verbindung mit Konstant- oder auch verstellbaren Pumpen eingesetzt. Da der von einer Pumpe gelieferte Volumenstrom von „vielen Unwägbarkeiten im Inneren der Pumpe und seines Antriebs abhängig ist, … sind im unteren Geschwindigkeitsbereich häufig geschlossene Regelkreise nötig“.

Der Wunsch nach sauberer Energie sei nur ein Aspekt, der der Hydraulik heute Probleme bereite. „Sowohl Kompetenz als auch Affinität zur Hydraulik beim Fachpersonal für Engineering, Betrieb und Instandhaltung nimmt ab“, konstatiert Bert Brahmer, Geschäftsführer von Voith Turbo H + L Hydraulic, Rutesheim.

Schuler - Smart Press Shop
Im Vergangenen Jahr stellte Pressenhersteller Schuler den Smart Press Shop vor: Damit lassen sich digitale Lösungen zur Vernetzung in der Umformtechnik aufzeigen, um die Prozesssicherheit und Wirtschaftlichkeit in der Produktion der Kunden zu erhöhen. (Bild: Schuler / Sorin Morar)

Das ändere aber nichts an den technischen Vorteilen der Hydraulik. „Direkte und getriebefreie Erzeugung von Linearbewegungen und Überlastfestigkeit sind nur die wichtigsten. Auch beim Thema Energieeffizienz muss sich die moderne Hydraulik keinesfalls verstecken.“

Das schlechte Energieeffizienz-Image rühre von veralteten und wenig schlauen Drosselsteuerungen her. Dennoch hätten diese, wenn es um optimale Dynamik geht, ihre Berechtigung. Systeme mit Servopumpen-Direktantrieben hingegen brauchen in ihrem Gesamtwirkungsgrad den Vergleich mit elektromechanischen Antrieben nicht zu scheuen: effiziente Servomotoren treiben Pumpen mit hohem Wirkungsgrad, die ohne Drosselventile einen Zylinder mit geringer Reibung bewegen. „Somit liegen alle Vorteile bei der Hydraulik: die robuste und getriebefreie Erzeugung einer Linearbewegung in Verbindung mit einem ausgezeichneten Wirkungsgrad.“ Elektromechanische Antriebe hätten Vorteile lediglich bei relativ kleinen Kräften bis hin, je nach Anwendungsfall, 50 bis 200 Kilonewton.

Industrie 4.0: Kein Problem für Hydraulik

„Passt bestens“, ist Jürgen Woll, Leiter Elektrokonstruktion beim Pressenhersteller Schuler in Waghäusel, überzeugt, wenn es um hydraulische Pressen und die Anforderungen durch die Digitalisierung geht. Hydraulische Pressen zeichnen sich durch ihre Flexibilität aus. Sie werden immer häufiger für komplexeste sowie hochgenaue Prozesse und Fertigungsverfahren eingesetzt. Woll: „Dies erfordert modernste und präzise Steuerungssysteme, die natürlich bestens geeignet sind für den Umgang mit Prozessdaten aller Art.“

Jürgen Woll beschreibt ein Beispiel aus der Massivumformung: die Produktion von Eisenbahnrädern. „Eine vorgeschaltete Prozesssimulation berechnet die Sollwerte der hydraulischen Pressen, die dann direkt importiert werden können. Während der Produktion werden alle Prozessdaten aufgezeichnet, die zum Qualitätsnachweis oder zur Produktionsoptimierung erforderlich oder gewünscht sind, und in ein überlagertes Datenbanksystem zur Langzeitarchivierung geschrieben.“

Bereits im Prozess würden die heißen Teile an mehreren Stellen über Lasersysteme vermessen. Damit lassen sich – automatisch oder manuell – die Technologiedaten der Maschinen anpassen und Prozessoptimierungen durchführen. „Die an der Anlage optimierten Daten können wieder in die Simulation zurückgelesen werden, um künftige Auslegungen zu verbessern.“ bf

Zum Thema: Elektronik und Hydraulik kooperieren

electronic Load Controlled Pump System
Das electronic Load Controlled Pump System (eLCP) mit verstellbaren Axialkolbenpumpen von Parker Hannifin für Hydrauliksysteme mit konstanten, lastunabhängigen Volumenströme mit großem Einstellbereich nutzt die Energie bestmöglich aus. Der Einsatz eines frei programmierbaren Parker AC30V Frequenzumrichters ermöglicht eine variable Drehzahl, die entsprechend des Betriebszyklus der Presse angepasst wird. (Bild: Parker Hannifin)

Für eine bessere Energieausnutzung hat Parker Hannifin eine Verstellpumpe mit einem hochauflösenden Proportionalventil zu einer klassischen Load-Sensing-Steuerung verheiratet. Die Pumpe regelt den Differenzdruck über das Ventil, was die Genauigkeit wesentlich erhöht (Volumenstromauflösung größer 1:1000). Dadurch wird ein konstantes Druckgefälle erzeugt. In Abhängigkeit des Förderstroms und der wirksamen Verfahrzeit bezogen auf den Gesamtzyklus wirkt sich das auf die Verlustenergie aus. Mit dem von Parker entwickelte eLCP (elektronic Load Controlled Pump) System lässt sich dieses Druckgefälle für eine optimale Energieausnutzung bei jeder Fahrbewegung anpassen.

Handelsübliche Drehstrommotoren in Verbindung mit Frequenzumrichtern reichen, da die Dynamik des Systems von der Ventiltechnik bestimmt wird und die Drehzahlanpassungen voreinstellbar sind. Eine Drehzahlabsenkung in den nichtoperativen Zeiten reduziert zusätzlich die mechanisch bedingten Verlustenergien; gleichzeitig sinkt das Geräusch.

Bei dieser Art der Lastkompensation ersetzt eine elektrische Rückführung die bisher übliche hydraulische. Der Druck, der sich hinter einer der Pumpe nachgeschalteten Blende einstellt, wird elektronisch an das Proportionaldruckventil des Pumpenreglers zurückgemeldet. Sich ändernde Massen oder Kräfte angeschlossener Verbraucher wie Hydraulikzylindern oder Motoren beeinflussen nicht mehr die Geschwindigkeit des Verbrauchers. Der Volumenstrom am Ventilausgang ist konstant und unabhängig von weiteren Störgrößen wie sich verändernden Leckölraten der Pumpe oder variierenden Drehzahlen des E-Motors. Im statischen Zustand, etwa bei Druckhaltung, tritt keine Druckdifferenz an der Blende auf.

 

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