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Machine Learning wird in Zukunft möglicherweise die komplexe Programmierung von Motion-Control-Systemen überflüssig machen. (Bild: Bosch Rexroth)

Die Richtung, in die sich Motion-Control-Systeme und die Steuerungstechnik im Jahr 2018 entwickelt haben, mutet fast wie Science-Fiction an: Machine Learning, eine Spielart der Künstlichen Intelligenz (KI), soll das explizite Programmieren komplexer Zusammenhänge überflüssig machen. Das System lernt selbst. Dass es in diese Richtung gehen wird, davon ist Professor Marcus Geimer, Leiter des Teilinstituts Mobile Arbeitsmaschinen am Institut für Fahrzeugsystemtechnik des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) überzeugt.
Die bisherige Entwicklung scheint dem Wissenschaftler Recht zu geben. „Waren anfangs P-, I- und/oder D-Regler die Regel, zogen mit zunehmender Rechenleistung komplexere Regelstrategien in die Maschinensteuerungen ein“, erläutert Geimer. Beispiele sind Fuzzy-Regler und künstlich-neuronale Netze (KNN). Die ständig steigenden Rechenkapazitäten machen’s möglich, KI-Methoden scheinen die konsequente Fortführung.

Mobile Maschinen als Vorreiter

Naturgemäß etwas pragmatischer sieht die Industrien das Thema. Aber auch hier gilt: Die Digitalisierung macht vor der Fluidik nicht halt - im Gegenteil, sie ist einer ihrer Schrittmacher. Dieser Ansicht ist jedenfalls Thomas Pohlmann, Geschäftsführer von Reichhardt Steuerungstechnik: „Der seit mehr als 20 Jahren zunehmende Anteil elektronischer Steuerungssysteme bei mobilen Arbeitsmaschinen wird sich fortsetzen; insofern sind Land- und Baumaschinen seit vielen Jahren Vorreiter der Digitalisierung“, sagt er.

Neu sei allerdings die breite Nutzerakzeptanz und Verfügbarkeit robuster „Smart Connected Technologien“ wie drahtloser Übertragungstechniken, internetbasierte Cloud-Lösungen oder mobiler Bediengeräte. Seitdem diese auch zuverlässig für den rauen Einsatz mobiler Maschinen verfügbar sind, „ermöglichen sie eine neue Dimension effizienter Maschinensteuerungen und Arbeitsprozesse“.

Daraus ergebe sich ein weiterer Trend: die Einführung autonom oder im Maschinenverbund arbeitender mobiler Arbeitsmaschinen.

fluid hakt nach

Im Gespräch mit Prof. Jürgen Weber und André Sitte, TU Dresden

Automatisierung und eine verbesserte Effizienz durchziehen praktisch alle Bereiche, in denen fluidische Systeme zum Einsatz kommen. Damit gewinnt die Bewegungskontrolle und die Steuerungstechnik immer mehr an Bedeutung – auch bei mobilen Arbeitsmaschinen. Fluid sprach über die aktuellen Trends mit Professor Jürgen Weber, Leiter des Instituts für Fluidtechnik der Technischen Universität Dresden, und André Sitte, der am selben Institut Gruppenleiter Mobilapplikationen/Systemintegration ist.

Herr Professor Weber, Motion Control und Steuerungstechnik werden für die Fluidik immer wichtiger. Wo liegen aktuell die Entwicklungsschwerpunkte?

Professor Weber: Man kann diese Trends im Wesentlichen in zwei Bereiche klassifizieren: Das eine sind strukturelle antriebstechnische Fragestellungen, das andere Fragen der Digitalisierung und elektronischen Steuerungstechnik. Die Strukturfragen sind nach wie vor höchst interessant, weil man nach hocheffizienten und funktionalen Systemen sucht. Hier ist vor allem die Effizienz von verdrängergesteuerten Systemen interessant. Eine weitere Möglichkeit sind getrennte Steuerkanten statt klassischer Schieberventile. Im Bereich der Fahrantriebe für mobile Arbeitsmaschinen geht die Entwicklung zunehmend in Richtung leistungsverzweigter Getriebe.

Propagiert wird ja auch der Hybridantrieb, die Kombination aus hydraulischem und elektrischem Antrieb.

André Sitte: Eine Kombination sehen wir eher im stationären Bereich, wo die Drehzahlvariabilität der elektrischen Antriebe als zusätzlicher Freiheitsgrad intensiv genutzt wird. Auch in der Landtechnik, wo die Antriebsverteilung räumlich weniger begrenzt als in anderen mobilen Bereichen, finden elektrische oder elektrohydraulische Kompaktachsen Einsatz, da hier die Vorteile der elektrischen Leistungsverteilung stärker zum Tragen kommen. Solche Achsen sehen wir beispielsweise bereits in Lenksystemen für Kommunalfahrzeuge.

In vielen Bereichen erfolgt eine Verschiebung der Funktionalität und des Entwicklungsaufwands in Richtung Software. Trifft das auch in der Fluidik zu?

Weber: Ja, beispielsweise nimmt die Komplexität der Ventilsysteme mit getrennten Steuerkanten zu. Um die Potenziale dieser Technologie zu nutzen, muss diese Komplexität mit entsprechendem Aufwand erst einmal beherrschbar gemacht werden. Insofern ist der Anspruch an die Software und die Steuerungstechnik, die mit diesem System verknüpft ist, spürbar gestiegen. Was die Mechanik angeht, könnte man noch ergänzen, dass wir nach wie vor konsequent an der Inversion der kinematischen Verhältnisse und Integration in die Steuerungstechnik arbeiten, sodass man nicht nur messtechnisch ermittelte Größen nutzt, sondern die inhärenten Kinematiken invertiert und sie als Modellanteile, als Steuerungselemente mitverarbeitet.

Das Thema Maschinensteuerung war auch Bestandteil des BMBF-Verbundprojekts TEAM, das von 2012 bis 2015 lief. Wie geht es damit nun weiter?

Weber: Dabei ging es explizit um energieeffiziente Antriebssysteme. Das Projekt war sehr erfolgreich und wird ab dem kommenden Jahr mit einem neuen Verbundvorhaben fortgeführt. Unter der Überschrift „Bauen 4.0“ suchen wir Antworten auf Fragen der Digitalisierung des Bauprozesses. Ziel ist die automatisierte mobile Arbeitsmaschine. Das setzt die Kommunikationsfähigkeit der Maschinen untereinander und die Verknüpfung mit dem gesamten Bauprozess voraus.

Im stationären Bereich hat sich der Begriff „Tool Center Point“ für die Positionsbeschreibung eins Werkzeugs etabliert. Gibt es Vergleichbares im mobilen Bereich?

Sitte: Bei der Baumaschine ist der Begriff mittlerweile auch etabliert, wobei man eher von Löffel- oder Werkzeugspitze beziehungsweise Endeffektor spricht. Die Ansätze sind vergleichbar, aber die Zugänglichkeit der benötigten Information ist ungleich schwieriger. Klassische Wegmesssysteme sind oft nicht robust genug und zu teuer. Zunehmend werden hierfür Inertialmesssysteme eingesetzt, die aus Sensorinformationen Kinematikpositionen berechnen. Hierbei gibt es allerdings ein Schnittstellenproblem, weil die Maschinensteuerung vom OEM kommt, die Geoinformationen aber von den externen Systemen. Das wird im Rahmen des neuen Verbundprojektes auch ein wesentlicher Punkt sein. Letztlich wird diese Funktionalität sicher integraler Bestandteil der Steuerung werden.

Prof. Jürgen Weber,
(Bild: IFD)

Unter der Überschrift „Bauen 4.0“ suchen wir Antworten auf Fragen der Digitalisierung des Bauprozesses.

Prof. Jürgen Weber, TU Dresden

André Sitte,
(Bild: IFD)

Auch in der Landtechnik, wo die Antriebsverteilung räumlich weniger begrenzt als in anderen mobilen Bereichen, finden elektrische oder elektrohydraulische Kompaktachsen Einsatz.

André Sitte, TU Dresden

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