Lab-on-Chip-Technik,
Die Lab-on-a-Chip-Technologie könnte die Medizin in Zukunft stark prägen. Viele Hersteller legen ihren Fokus auf die Entwicklung spezialisierter, miniaturisierter Versionen für Kliniken und den Massenmarkt. (Bild: Fraunhofer ICT-IMM)

Ein Trend zeichnet sich bei der Herstellung solcher Teile ab: die zunehmende Automatisierung. Nachgeordnete Bearbeitungsschritte werden integriert und die produzierten Teile zu 100 Prozent kontrolliert. „Nur auf diese Weise können auch in Hochlohnländern wettbewerbsfähige Produkte hergestellt werden“, ist Sven Kitzlinger von Arburg überzeugt. Der Medizintechnikexperte nennt als weitere Schwerpunkte die Entwicklung schnelllaufender Hochleistungsmaschinen für die Pharmaverpackung sowie komplexere Werkzeuge. „Hier sehen wir zunehmend Synergien zum Bereich Packaging.“ Ebenfalls ein wichtiges Thema bei der Kunststoffverarbeitung für die Medizintechnik ist die Produktion im Reinraum. Dazu werden zunehmend hybride und elektrische Maschinen eingesetzt, die gegenüber hydraulischen Maschinen weniger Emissionen freisetzen. So lieferte Arburg für die Herstellung eines Vaginalrings für den präventiven HIV-Schutz eine komplette Produktionszelle, die an höchste Hygieneanforderungen entsprechend der ISO 13485, den Vorgaben der FDA sowie den GMP-Richtlinien angepasst wurde. In Zukunft soll es sogar möglich sein, mithilfe von Medikamenten-Transportsystemen Wirkstoffe über die Blutbahn direkt dorthin applizieren zu können, wo sie gebraucht werden.

Sven Kitzlinger,
(Bild: Arburg)

In der Medizintechnik beobachten wir generell – wie in vielen anderen Branchen auch – eine steigende Automatisierung der Fertigungsprozesse.

Sven Kitzlinger, Arburg

Medizintechnik digitalisiert doppelt

Digitalisierung findet in der Medizintechnik in zweifacher Hinsicht statt. Zum einen geht es um die möglichst vollständige Abbildung des Produktentstehungsprozesses und die Vernetzung der an ihr beteiligten Instanzen. Parallel werden aber auch der Patient und sein Krankheitsbild zunehmend digitalisiert. Zwei fremde Welten, die dennoch Berührungspunkte haben. Denn spätestens bei der Herstellung patientenindividueller Implantate braucht die Industrie die Patientendaten.

Harald Grün,
(Bild: MDX Devices)

Neue Werkstoffe müssen vom Hersteller für entsprechende medizinische Applikationen freigegeben sein, was leider immer seltener der Fall ist.

Harald Grün, MDX Devices

 

Fest steht: Die Digitalisierung ist auch in der Medizintechnik längst angekommen. Allerdings weiß man noch nicht so recht, was man damit alles anfangen kann. Das erklärt Gerald Plöchl von Wittmann-Battenfeld so: „Es gibt viele Ideen, aber die meisten sind zurzeit noch nicht umsetzbar; auf jeden Fall wird es auch in der medizinischen Versorgung mehr Online-Versorgung geben.“ IVAM-Chef Dietrich ist überzeugt, dass die Digitalisierung schon heute die Art und Weise verändert, wie Patienten behandelt sowie Krankheiten diagnostiziert und therapiert werden. „Mobile-Health (mHealth)-Lösungen gehören zu den Hauptantriebsfaktoren des signifikanten Wachstums, das der weltweite Gesundheitsmarkt derzeit verzeichnet.“ Solche Systeme sorgen dafür, dass Vitalparameter direkt am Körper gemessen werden können. So sind beispielsweise miniaturisierte optische Sensoren heute schon in der Lage, schmerzfrei Blutwerte wie den Blutzuckergehalt von Diabetes-Patienten zu ermitteln.

Dr. Michael Baßler,
(Bild: Fraunhofer ICT-IMM)

Es muss uns gelingen, die wesentlichen Funktionalitäten in spritzgegossenen Einwegbauteilen umzusetzen.

Dr. Michael Baßler, Fraunhofer ICT-IMM

Diagnose und Therapie in einem System

Den nächsten Schritt, „Theranostik“ genannt, bilden mikroelektronische, intelligente Implantate, die Diagnose und Therapie in einem einzigen System vereinen, indem sie Sensoren, Aktoren und Signalverarbeitung kombinieren. Auf der Fertigungsseite stellt Wittmann-Battenfeld mit dem Wittmann-4.0-System bereits eine Fertigungszelle her, in der die Steuerungen sämtlicher angeschlossener Peripheriegeräte an einem zentralen Punkt zusammenlaufen. Das sorgt für Klarheit und Sicherheit über den Produktionsprozess, der sich so auch einfach mit Manufacturing-Execution-Systemen dokumentieren lässt.

Dr. Tobias Grözinger,
(Bild: Hahn-Schickard-Gesellschaft)

Wir arbeiten an einem Projekt, bei dem die bisher eingesetzte Folientechnologie durch Spritzguss ersetzt werden soll.

Dr. Tobias Grözinger, Hahn-Schickard-Gesellschaft

Für die Medizintechnik perfektionieren will Hahn-Schickard. In Villingen-Schwenningen wird hierfür eine Fertigungsanlage für mikromedizinische Themen aufgebaut. Sämtliche Maschinen sind digital angebunden. Simon Herrlich: „Wir erfassen alle Parameter, die während der Herstellung einwirken, und speichern sie automatisch als Produktentstehungsakte in ein elektronisches ‚Device History Record‘.“ Ziel der Entwicklung ist ein MES, um vor allem auch ältere Maschinen über standardisierte Schnittstellen einbinden zu können und so bestehende Fertigungsanlagen Industrie-4.0-fit zu machen.

Auch Harald Grün von MDX empfindet das Thema Industrie 4.0 derzeit als omnipräsent: „Es führt kein Weg daran vorbei“. Gleichzeitig warnt der Praktiker aber vor zu viel Euphorie. Erste Cyberattacken hätten gezeigt, dass die Sicherheit der Netze noch deutlich verbessert werden muss, „damit eine digitale Vernetzung Sinn macht und einen wirklich nachhaltigen Mehrwert bietet“. Einen Schritt weiter wähnt sich bereits Christoph Lhota, Vice President Medical beim Spritzgießmaschinen Hersteller Engel Austria: „Wir haben bei diesem Thema die Reifephase erreicht, das heißt, die Digitalisierung und Vernetzung hält im täglichen Leben Einzug. Je schneller es uns gelingt, die noch offenen Herausforderungen, zu denen allen voran die Datensicherheit gehört, zu lösen, desto schneller werden sich die Technologien weltweit etablieren und weitere Entwicklungen vorantreiben.“ hei

 

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