ASi 5 Anlaufbild,

Bihl + Wiedemann setzt auf den Feldbusstandard ASi-5 und eine neue AS-Interface-Generation, um der Automatisierungstechnik auf bekannten Wegen neue Möglichkeiten im Rahmen der Digitalisierung zu eröffnen. (Bild: Bihl + Wiedemann)

Mit der digitalen Transformation geht es darum, die Software-Seite und die Daten mehr in den Blick zu nehmen, um Produkte zu veredeln, ihre Qualität und Effizienz zu verbessern“, sagt Dieter Westerkamp, Bereichsleiter Technik und Gesellschaft im VDI. Die neuen Geschäftsmodelle drehen sich häufig darum, statt des Produkts selbst dessen Leistung zu vermarkten. So könnte ein Pumpenhersteller die Pumpleistung einschließlich Wartung anbieten, nicht mehr die Pumpe an sich. „Dazu gehört, Produkte von Anfang an so zu entwickeln, dass sie während ihres Lebenszyklus immer wieder Rückmeldungen zu ihrem Zustand geben“, erklärt Westerkamp. Vor allem jedoch ist ein grundlegender Wandel der Denkweise gefragt: „Der wichtigste Punkt ist, dass sich in den Köpfen etwas tut im Hinblick auf die Interdisziplinarität. Die Entwicklungsverantwortung ist heute in der Regel auf mehrere Bereiche verteilt – dafür muss die eigene Perspektive deutlich aufgeweitet werden, um über den Tellerrand zu schauen und die anderen im Prozess zu verstehen“, so der VDI-Experte.

Westerkamp,
(Bild: VDI)

„Die digitale Transformation hat den Inge­nieurberuf bereits stark verändert und diese Entwicklung wird sich mit aktuellen Trends wie KI und kommenden Technologien weiter fortsetzen.“

Dieter Westerkamp, Bereichsleiter Technik und Gesellschaft, VDI

Neue Skills und Weiterqualifikation

„Die digitale Transformation hat den Ingenieurberuf bereits stark verändert und diese Entwicklung wird sich mit aktuellen Trends wie KI und kommenden Technologien weiter fortsetzen“, fährt er fort. Auch deshalb sei es so wichtig, dass nicht nur die Hochschulen immer wieder ihre Curriculae anpassen, sondern dass Mitarbeitende im Konstruktionsumfeld motiviert und mitgenommen werden bei den Veränderungsprozessen. IoT, KI, Additive Manufacturing, cyberphysikalische Systeme der Industrie 4.0: Ingenieure und Ingenieurinnen sollten diese Technologien verstanden haben, um sie für ihre Arbeit nutzen zu können. Dafür sind Freistellungen für die Weiterbildung nötig, die gerade KMU mit ihren begrenzteren Ressourcen schwerfallen.

MELIPCs,
Durch den Einsatz der Mitsubishi Electric MELIPCs können im Edge-Computing-Bereich in Echtzeit Daten mit KI analysiert werden. (Bild: Mitsubishi Electric)

Gleichzeitig tragen neue Technologien zur Vereinfachung und mehr Effizienz bei. „In der Konstruktion hilft KI vor allem durch Expertensysteme und Wissensmanagement, oft geht es dabei um ganz pragmatische Dinge“, meint Professor Martin Ruskowski, Forschungsbereichsleiter Innovative Fabriksysteme am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern. Ein Beispiel sind die Stücklisten, die Zukaufteile von verschiedensten Herstellern enthalten, welche einzeln in der Datenbank angelegt werden müssen. Oft liegen sie redundant in leicht unterschiedlichen Versionen vor. KI-Tools können hier für Übersicht sorgen, aber auch parametrische Suchen und Ähnlichkeitssuchen ermöglichen und anhand von 3D-Modellen erkennen, welche ähnlichen Bauteile bereits vorliegen – oder Vorschläge machen, was sich am besten einsetzen lässt. Doch bei der dafür nötigen Vernetzung der Tools unter anderem im PLM-Umfeld ist noch viel Luft nach oben, so Ruskowski.

Die Herstellung mitdenken

Im DFKI hat man darüber nachgedacht, in welche Richtung sich der Maschinen- und Anlagenbau in den nächsten zehn Jahren in Sachen Industrie 4.0 entwickeln wird, und die Antwort ist eindeutig: Es wird eine deutlich modularere, flexiblere Produktion benötigt und damit andere Module, die gekapselt ihre Produk­tionsfähigkeit zur Verfügung stellen. „Bisher wurden vor allem bestehende Technologien digitalisiert. Es geht aber darum, neu zu denken: Nicht mehr von der Maschinenfunktionalität und -Technologie her, sondern rückwärts aus Sicht dessen, wie das Produkt genutzt wird und wie sich verschiedene Fähigkeiten kombinieren lassen“, so Ruskowski.

PC-based Control,
PC-based Control unterstützt als zentrale, offene Steuerungsplattform für alle Maschinenfunktionen die Umsetzung von hocheffizienten IoT-basierten Automatisierungskonzepten. (Bild: Beckhoff)

Anstatt also wie heute für eine Fräsmaschine für jedes Bauteil ein CNC-Programm zu erzeugen und zu laden, sollen sich nun Fähigkeiten wie ein Loch bohren oder eine Tasche fräsen auf einer höheren Ebene zusammenstellen lassen. Mit diesem Ansatz lassen sich erheblich Einsparungen bei Zeit und Kosten von Umrüstungen erzielen. Aus Sicht des DFKI-Experten gehört das Mitdenken der Fertigungsschritte schon beim Konstruktionsprozess dazu. „Dafür müssen Tätigkeiten aus der Arbeitsvorbereitung in die Konstruktion wandern, beispielsweise indem Fügereihenfolgen, die automatisiert abgearbeitet werden, auf einer abstrakten Ebene bereits mitgedacht werden“, erklärt Ruskowski. Hinzu kommt das Thema Connectivity, das die Grundlage in Indus­trie-4.0-Konzepten bildet: Von Bussystemen über Wifi, 5G oder Low Power WAN – die Möglichkeiten von Vernetzung sollten ebenfalls schon im Produktentstehungsprozess und bei der Konzeption digitaler Services beachtet werden.

Wie kommt man an Betriebsdaten?

Industrie 4.0
Schneider Electric will IT und OT auf Basis der Prinzipien von Industrie 4.0 verbinden: offene Standards, ganzheitliche Vernetzung und maximale Datentransparenz. (Bild: Schneider Electric)

Darüber hinaus gilt es in der Entwicklung viel stärker mitzudenken, welche Daten aus Maschinen und Anlagen für die Kunden heute relevant sind, wie sie eigene Prozesse ­damit unterstützen können. Neue Produkte müssen in die Industrie-4.0-Konzepte der Betreiber hineinpassen, alte entsprechend nachgerüstet werden.

Da durch Vernetzung und IIoT der Software- und Elektronikanteil vieler Produkte steigt, braucht es in der Konstruktion ein besseres mechatronisches Gesamtverständnis, meint Martin Ruskowski. Anstatt traditionelle mechanische Lösungen zu suchen, lasse sich mittlerweile vieles mit Software abdecken. Dafür gelte es aber, von Anfang an gesamtheitlich zu denken. Auch das Thema Rückfluss der Daten aus dem Lebenszyklus des Produkts ist aus Sicht des DFKI-Experten ausgesprochen wichtig. „Konstrukteure können stark davon profitieren, zu erkennen, wo in der Realität die Schwachstellen liegen und welche Bauteile am häufigsten ausfallen. Diese Informationen gehen bisher noch zu oft verloren, weil der Rückfluss nicht gegeben ist“, so Martin Ruskowski. Dafür könnte auch eine bessere direkte Verbindung zwischen Entwicklung und Kunden nötig sein, jenseits der Vertriebskontakte. Ganz klar: Auch Services, mit denen den Kunden beispielsweise die Leitplanken für den optimalen Betrieb einer Maschine angezeigt werden, leben von der Auswertung der Daten aus den Produktlebenszyklen.

Agile Methoden in der Konstruktion

Agile Methoden wie Scrum, die sich im IT-Umfeld bereits durchgesetzt haben, bringen auch für andere Bereiche ein großes Potenzial mit. Weil aber dennoch häufig Sicherheitsvorgaben langzyklige Hardware-Entwicklungen nach Wasserfallmethoden nötig machen, sind hybride Agile-Konzepte gefragt. „Der Wandel hin zur agilen Produktentwicklung ist wichtiges Thema für die Konstruktion“, meint der VDI-Experte. Das sei zwar bereits in vielen Unternehmen verstanden worden, bei der Umsetzung sei jedoch noch viel Luft nach oben.

Gerade weil es immer mehr Software im Produkt gibt, die Autoindustrie ist dafür wohl das extremste Beispiel, lohnt es sich auch im Bereich der Produktsoftware agile Methoden wie Devops und Open-Source-Frameworks wie Github zu nutzen. Manche Experten gehen sogar davon aus, dass Produkt-IT und Unternehmens-IT aufgrund des Fachkräftemangels dringend zusammenwachsen müssen, um zum Beispiel beim Thema Security Kompetenz zu bündeln. Das gilt sicherlich auch für Themen wie Cloud, IoT oder KI, die für viele Entwickler traditioneller Automatisierungssoftware echtes Neuland sind.

Sebastian Flügel,
(Bild: Edag Group)

„Aktuell wird in Entwicklung und Konstruktion mit sehr viel Spezial-software gearbeitet. Künftig könnte eine übergreifende Software für Generative Design die unterschiedlichen Bereiche abbilden und verbinden. Das heißt allerdings auch, dass bestehende Abteilungssilos aufgebrochen werden müssten.“

Sebastian Flügel, Projektleiter in der Abteilung Innovationen, Edag Group

Viele Unternehmen setzen darauf, zunächst Know-how von außen zum Beispiel über externe Experten hinzu zu holen. Denn traditionelle Tools für die Entwicklung von Embedded-Software stoßen bei IoT- oder Cloud-Systemen schnell an ihre Grenzen: In der Cloud läuft Software 24/7, Anwendungen können nicht einfach abgeschaltet werden, und die Entwickler können aus Datenschutzgründen auch nicht mehr einfach einen Blick auf die Daten werfen wie früher: Am Übergang zur Cloud-Welt steht eine echte Lernkurve an.

Standards statt Unsicherheit

IO-Link-Master,
Die IO-Link-Master der Serien ICE2 und ICE3 von Pepperl+Fuchs eröffnen mit integrierter OPC-UA-Schnittstelle neue Möglichkeiten für cloudbasierte Lösungen im Zeichen von Industrie 4.0. (Bild: Pepperl+Fuchs)

Doch es gibt auch gute Nachrichten: Während in den letzten Jahren das Thema Standards noch als Bremse galt und gerade kleinere Unternehmen bei ihren Zukunftsinvestments viel Mut beweisen mussten, gehört diese Sorge aus Sicht der Plattform Industrie 4.0 der Vergangenheit an. Standards wie OPC UA mit den Companion Specifications haben sich für die Vernetzung in der Fabrik durchgesetzt: Eine weitgehend einheitliche Semantik hilft bei der Einbindung von Maschinen in unterschiedlichsten Netzwerkkontexten.

Überall dort, wo in der Entwicklung eng mit den Kunden zusammengearbeitet wird und ein intensiver Austausch von Engineering-Daten stattfindet, hat sich Automation ML fest als Standard etabliert. Im IoT-Umfeld stehen verbindliche Standards wie MQTT oder AMQP zur Verfügung. Viele Anwendungsszenarien wie Predictive Maintenance, die auch für die Konstruk­tionsteams relevant sind, lassen sich mittels generischer Anwendungsfälle der von der Plattform Industrie 4.0 vorangetriebenen Verwaltungsschale adaptieren.

Neue Arbeitsweisen: Generative Engineering

Emulate3D,
Mit Emulate3D von Rockwell Automation lassen sich industrielle Automatisierungsanlagen digital simulieren und nachbilden. (Bild: Rockwell)

Verändern wird sich aber wohl auch die Art und Weise, wie Produkte konstruiert werden – in der Automotive-Industrie ist das bereits in ersten Ansätzen zu sehen. Der Ansatz des Generative Engineering, auch Generative Design genannt, basiert darauf, dass Konstrukteure und Konstrukteurinnen künftig die Eigenschaften eines Bauteils in Form einer DNA (mathematisch) beschreiben – das Teil selbst aber von einem Algorithmus entworfen wird. Das bietet sich zunächst natürlich insbesondere für den 3D-Druck, das Additive Manufacturing an, wo ohnehin neuartige Geometrien gefertigt werden können. Doch dieser Ansatz könnte schon bald auf weitere Fertigungsarten und Bauteile ausgedehnt werden.

Der Engineering-Dienstleister Edag Group beispielsweise arbeitet daran mit dem Start-up Elise, das eine gleichnamige Generative-Design-Lösung entwickelt hat. Dann könnten kleine gemischte Teams aus den unterschiedlichen Engineering-Bereichen solche DNA-Bausteine entwickeln. „Aktuell wird in Entwicklung und Konstruktion mit sehr viel Spezialsoftware gearbeitet. Künftig könnte eine übergreifende Software für Generative Design die unterschiedlichen Bereiche abbilden und verbinden. Das heißt allerdings auch, dass bestehende Abteilungssilos aufgebrochen werden müssten“, sagt Sebastian Flügel, Projektleiter in der Abteilung Innovationen der Edag Group.

Auch im Umfeld der Konstruktion mischt die Digitalisierung also die Karten neu: Die damit verbundene Automatisierung reduziert vor allem Routineaufgaben zum Beispiel beim Datenaustausch und Wartezeiten. Das ist auch eine Chance: „Der Wegfall vieler manueller Aufgaben und der Auseinandersetzung mit einer Vielzahl von Tools bringt auch viele Vorteile für die Inge­nieure: Es ist dann deutlich mehr Zeit für Kreativität und neue Ideen vorhanden“, ist sich Flügel sicher.

Martin Ruskowski,
(Bild: DFKI)

„In der Konstruktion hilft KI vor allem durch Expertensysteme und Wissensmanagement, oft geht es dabei um ganz pragmatische Dinge.


Prof. Martin Ruskowski, Forschungsbereichsleiter Innovative Fabriksysteme, DFKI

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