Test eines Flugzeugmodells im ETW,

Im modernsten Windkanal der Welt, dem ETW, werden Flugzeugmodelle unter wirklichkeitsgetreuen Flugbedingungen getestet. (Bild: ETW)

Vier Nationen arbeiteten am Bau des modernsten Windkanals der Welt zusammen: Frankreich, Deutschland, Großbritannien und die Niederlande. 1993 wurde das Großprojekt fertig gestellt. Seitdem gilt der Windkanal bei wirklichkeitsgetreuen Tests von Luftfahrzeugen weltweit als führend.

Tests bei -163° Celsius

Denn das Verfahren, mit dem im ETW Flugzeug-Modelle im Maßstab 1:30 getestet werden, ist etwas ganz Besonderes: Hier wird bei tiefen Temperaturen von minus 160 Grad Celsius und dem 4,5-fachen Druck der Erdatmosphäre geforscht. Das ist notwendig, weil die Flugzeug-Modelle viel kleiner sind als die zukünftigen Flugzeuge, deren Flugverhalten man lange vor dem Bau erproben will. Würde man diese Modelle bei Zimmertemperatur testen, so hätte das eine unerwünschte Nebenwirkung: Im warmen Zustand sind die Luftmoleküle im Verhältnis zu den kleinen Flugzeug-Modellen viel zu groß und es würde zu viel Reibung entstehen. Also muss man – damit auch die Berechnungen stimmen – die Luft-Moleküle beruhigen und ihre Abstände zueinander künstlich verkleinern. Genau das erreicht man durch die tiefen Temperaturen.

Stickstoff wird flüssig in den Windkanal eingespritzt, verdampft und gasförmig Richtung Modell beschleunigt. Gegen die Reibung im Windkanal arbeitet ein Verdichter mit 50 Megawatt an – das entspricht etwa einer Leistung von 50 Mittelklasse-Pkw. Dafür werden gewaltige Stickstoffmengen benötigt: an einem Messtag bis zu 1500 Tonnen. Dabei sind Messungen bei tiefen Temperaturen (-163° C), hohen Drücken (1,15 bis 4,5 bar) und Windgeschwindigkeiten, wie sie bei Start und Landung oder im Reiseflug (0,15 bis 1,35 Mach) entstehen, möglich.

Separate Regelung von Druck und Temperatur

Im Windkanal ETW,
Im ETW werden Flugzeugmodelle unter realen Bedingungen getestet. Dabei werden Temperaturen bis - 163° C sowie Drücke von 1,15 bis 4,5 bar im Windkanal umgesetzt. (Bild: ETW)

Ein wesentlicher Parameter, der die Eigenschaften einer Strömung angibt, ist die Reynolds-Zahl. Diese Kennzahl einer Strömung ist definiert durch Strömungsgeschwindigkeit, einer charakteristischen Länge im Strömungssystem und der dynamischen Viskosität der strömenden Flüssigkeit. Der Wert der Reynolds-Zahl von Flugzeug und Modell muss ebenso wie die Form- und Mach-Zahl gleich sein, um ein ähnliches Strömungsfeld zu erhalten. Der ETW erreicht Reynolds-Zahlen von bis zu 50 Millionen für Vollmodelle und bis zu 85 Millionen für Halbmodelle.

Die Messstrecke hat einen rechteckigen Querschnitt von 2,4 Meter Breite und zwei Meter Höhe, was Modelle von etwa 1,5 Meter Flügelspannweite erlaubt. Diese werden mit einem 200 Tonnen schweren Modellträger über einen Kran in den Kanal eingebracht. Durch die separate Regelung von Druck, Temperatur und Geschwindigkeit können Mach-Zahl, Reynolds-Zahl und Staudruck getrennt voneinander gesteuert werden.

Dies macht es möglich, die Auswirkungen von Modellformationen und der Skalierung isoliert zu betrachten. Neben dem ETW gibt es weltweit nur noch einen Windkanal in den USA mit vergleichbaren Eigenschaften: den National Transonic Facility der NASA im Langley Research Center.

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